Jesus war der erste Dandy

„Jesus war der erste Dandy“, schreibt die Allgemeine Zeitung aus Mainz und leitet damit ihren süffisanten Bericht über den Auftritt Sebastian Horsleys in der Metropole ein:

„Jesus war der erste Dandy und sein einzig würdiger Nachfolger ist Sebastian Horsley. Er ließ sich seiner Karriere wegen kreuzigen, Jesus, um die Menschheit zu retten. Gescheitert sind beide – sagt zumindest der exzentrische Brite (…)
Äußerlich ein extravaganter Gentleman, der die großen Gesten liebt, mit wiegendem Gang vor seinem Publikum wie ein Paradiesvogel auf und ab stolziert und mit größtem Vergnügen sein Lieblingsthema anpreist: sich selbst. Ließe man aus seiner Biographie das Wort ‚Ich‘ weg, würde sie auf eine Briefmarke passen, sagt er. Ohne Humor und Selbstironie wäre dieser unglaubliche Egozentriker wohl kaum zu ertragen (…)

Er will gefallen, obwohl er gleichzeitig leidenschaftlich provoziert, wenn nicht gar beleidigt: ‚If you can´t laugh of yourself, make fun of spastics.‘ Wir sind, was wir zu sein vorgeben, sagt Sebastian Horsley. Seine Rolle füllt der Brite jedenfalls bis zur Perfektion aus, wobei nur schwer vorstellbar ist, dass er sie abseits des theatralen Raumes ablegt. Seine Selbstinszenierung ist ebenso grandios unterhaltsam wie jenseits des guten Geschmacks – und eine eindrucksvolle Lektion in maßlos übersteigertem Selbstbewusstsein.“

Sebastian Horsley bashes german Provinz

Ob Sebastian Horsley tatsächlich zum Dandy genügt, sei dahingestellt. Immerhin wird er von den meisten Medien als solcher betitelt – was natürlich nix zu sagen hat. Bezeichnend für die deutschen Printmedien jedenfalls: Focus und Süddeutsche Zeitung bringen die identische dpa-Geschichte über die erste Präsentation seines Dandy in der Unterwelt-Buches in Deutschland. Zu Anfang traute sich der postmoderne Punk (wie wir ihn lieber nennen) nur in die Provinz, – nach Mainz:

„Seine extravagante Erscheinung – überdimensionaler Zylinder, Gehrock und rot lackierte Fingernägel – war schon im Foyer zu bestaunen“ schreibt die Nachrichtenagentur. „Nur wenige Zeilen las er bei der als Lesung angekündigten Veranstaltung tatsächlich aus seinem erstmals übersetzten Buch. An dem bereitgestellten Tisch, an dem vorab der Schauspieler Thomas Prazak ein Kapitel der deutschen Fassung vorgetragen hatte, nahm er keine Sekunde Platz. Stattdessen stolzierte er unentwegt durch den Raum und lieferte eine gut einstündige Performance und Lehrstunde in Sachen Dandytum voller Weisheiten und Frechheiten. Der Dandy, den der Millionärs- und Alkoholikersohn sowie selbst ernannte Nachfolger von Vorbildern wie Oscar Wilde und Arthur Rimbaud gibt, ist provokant, geistreich, witzig, arrogant, vulgär, pointiert, zynisch, selbstherrlich und vor allem niemals politisch korrekt. ‚Wenn ich irgendjemanden hier bis jetzt noch nicht beleidigt habe, tut es mir leid‘, meinte er nach seinem Eingangsmonolog, bei dem er schon mal die Zunge rausstreckte und den Mittelfinger zeigte.“

Interessant, dass dpa diese Verhaltensweisen für „geistreich“ hält. Aber der Nachrichtenlieferant widerpricht sich weiter in flockoiger Sprache: „Natürlich beleidigt ein Dandy niemals so, dass man ihm ernsthaft böse sein könnte, sondern immer mit einem charmanten Augenzwinkern. ‚Diese Bastarde haben mein eigentliches Vorwort zensiert‘, schimpfte er und zeigte auf die ihn begleitende Pressesprecherin seines Verlags um dann genau jenes Vorwort vorzutragen. Genüsslich schilderte Horsley seine Erlebnisse beim vergeblichen Einreiseversuch in die USA (…) Der Lebemann kokettierte, dass er gar nicht verstehe, warum Leute 20 Euro für sein Buch ausgeben, wo sie doch für weniger Geld Sex mit ihm haben könnten. (Etwa auch mit dpa?) Auch mit so ziemlich allen Drogen inklusive Crack und Heroin kennt sich Horsley aus eigener, im Buch sehr drastisch geschilderter Erfahrung bestens aus, bereut aber nichts: ‚Nicht die Drogen sind das Problem, sondern das Leben. Drogen sind die Lösung.‘ Bei allen Provokationen und Unverschämtheiten ist der in manchen Momenten verletzlich erscheinende Akteur auch fähig zur Selbstironie…“ ‚In Wirklichkeit bin ich gar kein Schriftsteller. Ich habe sogar ein Buch als Beweis“, schloss Horsley seinen Auftritt und lüftete das Geheimnis, das längst keines mehr war: ‚In Wirklichkeit bin ich ein Performer.!'“

http://www.badische-zeitung.de/dpa-panorama/exzentrischer-dandy-sebastian-horsley-liest
http://www.wz-newsline.de/?redid=558738

Barbara Luisi

Photo: Copyright Barbara Luisi – All Rights Reserved



Die Wiener Photographin Barbara Luisi hat eine neue Internet-Seite, die wir gern vorstellen:
http://www.barbaraluisi.at/.

Eines der expliziten Vorbilder von Barbara Luisi ist der Surrealist Man Ray. André Breton schrieb 1927 in »Le Surréalisme et la Peinture« über Man Ray, dieser sei bei seiner Kunst vom photographischen Abbild ausgegangen: »weit davon entfernt, ihm ganz zu vertrauen, benutzte er es nur von Fall zu Fall, je nach seinen eigenen Intentionen, je nach dem Gemeinsamen, das es uns in der Wiedergabe vermittelt«. Dadurch hätte Man Ray der Photographie »mit einem Schlage« das Positive genommen. Die Photographie habe ihre arrogante Haltung verloren, die sie sich anmaßte, »sich nämlich als das auszugeben, was sie gar nicht ist. Wenn tatsächlich eben für Raimundus Lullus‚ der Spiegel ein durchsichtiger Körper ist, der alle Erscheinungen, die ihm vorgehalten werden, in sich hineinnehmen kann’, so lässt sich das vom fotografischen Abbild nicht behaupten, das von den Erscheinungen von vornherein ein vorteilhaftes Aussehen fordert und das dann nur das Äußerste und Flüchtigste an ihnen erfasst.«

Zur gleichen Zeit wie André Breton hat sich Walter Benjamin mit dem »Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit« beschäftigt. Er kam zu dem Ergebnis, dass die massenweise Reproduktion eines Kunstwerkes dessen Bestand nicht tangiere, aber sein »Hier und Jetzt« entwerte. Benjamin gab dem den Begriff der Aura: Mit zunehmenden Reproduktionstechniken verflüchtige sich die Wahrnehmung des Kunstwerkes, – seine einmalige und unwiederbringliche Aura verliere an Substanz.

In diese Kontextualität passt das zweite Vorbild der Künstlerin nur zu gut: Der japanische Photograph Eikoh Hosoe, der dem ersten Photoband der Künstlerin eine kurze Einleitung beisteuerte, gilt als der bedeutendste japanische Nachkriegsphotograph. Er kreierte einen völlig neuen Stil, in dem erzählerische und graphische Elemente in eine Bewusstseins-Ästhetik zerfliessen.

Der Einfluss vom Man Ray und Eikoh Hosoe ist in ihrer modernen Abbildungskunst spürbar. Greifbar. So kann man Barbara Luisis Photos – im doppelten Wortsinn – sehen als quasi seismographische Abbildungen der Photokunst am Anfang des 21. Jahrhunderts, wo uns gewahr wird, wie tief die Veränderungen sein könnten, die die globale Digitalisierung nach sich zieht.

Die beiden bisherigen opulenten Photobände von Barbara Luisi sind rezensiert worden von Matthias Pierre Lubinsky:

http://webcritics.at/page/book.php5?id=2014
http://webcritics.at/page/book.php5?id=2428



DANDY-CLUB.de auf Il Dandy




Dandy-Club.blogspot.com, der ertse deutsche Internet-Blog zum Dandyismus ist geadelt: Wir haben die Ehre, auf einem der weltweit bedeutendsten Internet-Auftritte zum dandysme genannt zu werden:
Il Brogliaccio del Dandy
In quest’area di appunti è data facoltà ai Visitatori di corredare con un’immagine un testo che abbia ad oggetto il mondo del Dandy. Un dettaglio, un personaggio, un’opera d’arte, potranno così trovare il riscontro grafico a volte necessario ad illustrare ciò che la parola non può esprimere. Si può inserire una sola immagine per volta. Come in tutte le aree interattive del castello, è necessario sottoscrivere l’intervento col proprio nome, cognome ed indirizzo.Perché sia visibile l’anteprima dell’immagine, cosa assai importante, il nome del file grafico non dovrà assolutamente contenere spazi.

Titolo: Dandismo tedesco Data: 2009-06-18Nome Cognome: Andrea SperelliE-mail: andreasperelli8@yahoo.it Cod. rif: 981 Testo:

Herr Matthias Lunbisky tiene un interessante blog sul dandismo, in tedesco. Questo l’indirizzo: www.dandy-club.blogspot.com — purtroppo il tedesco non rientra nei miei principali dominii linguistici, ma ho trovato questa bella immagine dell’orsetto Karl Lagerfeld…

Unsere Präsentation auf der herausragenden italienischen Dandy-Seite nehmen wir nur zu gern zum Anlass, deren Besuch zu empfehlen.

http://www.noveporte.it/dandy/

Bilder: Copyright noveporte.it (Andrea Sperelli)


Bunbury in Halle




Das Hoftheater auf der Kulturinsel in Halle bringt ab heute die Komödie von Oscar Wilde Bunbury – The importance of being ernest („Ernst sein ist wichtig“).

Der Text des Theaters: »The Importance of Being Earnest« heißt die Komödie, für die der irisch-englische Autor Oscar Wilde vor über 111 Jahren einen vielseitig einsetzbaren Freund namens Bunbury erfand. Viel später erst wurde aus dem Schauspiel ein Musical, das seit einiger Zeit nebenan im Opernhaus zu sehen ist. Was liegt da näher, als das Originalstück quasi als Nachtisch oder Vorspeise, je nach dem ob Sie das Musical schon gesehen haben oder auch als Hauptgericht, falls Sie sich für Musicals nicht interessieren, im Hof des nt als Sommertheater zu servieren. Denn so schön die Musik des Musicals ist, die geschliffenen Dialoge Oscar Wilde’s haben einen ganz eigenen Reiz dem an lauen Sommerabenden zu erliegen, ein ganz eigenes Vergnügen sein kann. Warum das mit dem Ernst sein so wichtig ist, können Sie nun also ab dem 18. Juni 2009 im Hoftheater der Kulturinsel im Schauspiel-Original erfahren – und dabei als Jack und Algy zwei junge, gut aussehende Schauspieler näher kennenlernen, die ab der nächsten Spielzeit neu im nt-Ensemble sind.“
Photo: Kulturinsel Halle



Drogenbefeuertes Gastmahl mit sexuellen Übergriffen

Dem Berliner Tagesspiegel erläutert Martin Wuttke seine Verbindungslinien von Platon über Goethes Faust zu Ernst Jüngers Grenzüberschreitungen mittels Drogen. Wuttke hat am Berliner Ensemble das von Jüngers Drogenerfahrungen inspirierte Stück inszeniert Das abenteuerliche Herz. Droge und Rausch.

Die nächsten Vorführungen sind übrigens Anfang Juli in dem brechtschen Traditionstheater.

Der „Ritus des drogenbefeuerten Gastmahls nebst sexueller Übergriffe, der das Denken in Paradoxien und die Geburt einer Sprache des Geistes vorführe“, interessiere ihn sehr, sagt Wuttke dem Tagesspiegel. „Die säkularisierte, proletige Form, die davon übrig geblieben ist, ist der Stammtisch, wo man besoffen der Serviererin auf den Hintern haut“, erläutert der Tatort-Kommissar. Die Zeitung berichtet: „Martin Wuttke ist in seinem Element, wenn er sich in derlei Assoziationsfuror stürzen kann. Mit sonorer Stimme referiert er über Jüngers literarischen Versuch einer Kulturgeschichte der Droge, dessen Treffen mit dem LSD-Erfinder Albert Hoffmann in der Schweiz, über die Gesellschaftsbeobachtungen zwischen den Weltkriegen – und die Absurdität, dass auch heute wieder junge Kriegsheimkehrer über die Friedrichstraße laufen, von deren traumatischen Erfahrungen jedoch niemand etwas hören wolle. Da spricht Wuttke, der Theaterintellektuelle, dem es freilich fernläge, mit den rechten Brandsätzen, die sich bekanntlich auch finden bei Jünger, zündeln zu wollen. Ihn reizen die Selbstbefragungen dieses Schriftstellers, die auch Heiner Müller schon fasziniert haben, einen seiner Theaterväter. Wuttke ist kein Freund der Anekdote, aber dass Müller, zu Besuch bei dem Insektenforscher Jünger in Wilflingen, fasziniert war von den Schubladen, in denen Käfer wie Armeekolonnen in Reih und Glied aufgespießt waren, das erzählt er dann doch mit hintergründiger Belustigung. Die Arbeit mit Heiner Müller, auch die mit Einar Schleef, sie wird durchaus fortwirken in Wuttkes Jünger-Abend ‚Das Abenteuerliche Herz: Droge und Rausch‘. Überhaupt scheint es in seiner künstlerischen Biografie keine überlebten Phasen zu geben, sondern nur andauernde Verweise, Traditionslinien, Übermalungen.“

http://www.tagesspiegel.de/zeitung/Ticket;art2811,2807613

Photo. Buchcover Ernst Jünger Annäherungen – Drogen und Rausch.
Copyright Klett-Cotta Verlag. All Rights Reserved.




Morrissey in Berlin




Die Märkische Allgemeine berichtet vom Morrissey-Konzert in Berlin und lässt uns an einer wunderbaren Stilblüte teilhaben: Morrissey gelte nicht nur „als Dandy, sondern auch als intoleranter Typ (vor allem als Vegetarier), als Miesepeter, gar als Misanthrop“. Klasse. Jetzt wissen wir vor allem, dass Vegetarier „intolerante Typen“ sind.

„Zunächst kommt Morrissey in labbrigen Jeans und Strickjacke und singt vor silbern glitzernder Hinterwand „This Charming Man“. Es ist ein Song aus der Smiths-Ära, die er in den nächsten 75 Minuten noch ein paar Mal streifen wird, unter anderem mit „Ask“ und „Some Girls Are Bigger Than Others“. Er wirbelt, das Mikrofonkabel wie ein Lasso schwingend, wie ein Flamencotänzer über die Bühne. Der Narziss, der früher gern mit Lilien in der Hosentasche auftrat, um die Nähe zu seinem Idol Oscar Wilde zu illustrieren, erscheint wie ein junger Opa. Doch das täuscht (…)
Irgendwann wirft Morrissey sein Hemd in die Menge und steht mit nacktem, leicht schwabbeligem Oberkörper da. Es sieht ziemlich unsexy aus, aber nicht stillos. Stil ist, wenn man weiß, dass man groß ist und sich nicht ums Drumherum scheren muss (…) Kürzlich hat er gesagt: ‚Du bist entweder fabelhaft oder langweilig, das Alter hat keinen Einfluss darauf‘. So etwas sagen nur Leute, die wissen, dass sie fabelhaft sind.“
(Von Gunnar Leue)

Photo: Sanctuary records



Droge und Rausch am Berliner Ensemble




Das Stück „Das abenteuerliche Herz – Droge und Rausch“ von Martin Wuttke hatte gestern am Berliner Ensemble am Schiffbauerdamm Premiere. Als Grundlage dienten die Bücher von Ernst Jünger ‚Das abenteuerliche Herz‘ (Erste Fassung) und ‚Annäherungen – Drogen und Rausch‘, in denen der Großmeister des deutschen Dandytums von seinen rauschhaften Grenzerfahrungen erzählt.

Kritiken sind bisher kaum veröffentlicht. Die wichtigsten Medien hatten aber im Vorfeld berichtet.

Die nächsten Vorführungen sind am 04., o5. und 11. Juli 2009.

http://www.berliner-ensemble.de/

Photo: Thomas Aurin/ Berliner Ensemble


Henry van de Velde – Buchkunst

Der belgische Künstler Henry van de Velde



Von van de Velde gestaltete Nietzsche-Ausgabe




Heute eröffnet eine fulminante Ausstellung über den belgischen Jugendstil-Künstler Henry van de Velde. Das Bröhan-Museum, am Berliner Schloss Charlottenburg stilvoll gelegen, hat bereits Ende 2007 mit einer wunderbaren Kabinettausstellung zu Harry Graf Kessler (siehe in diesem Blog) auf sich aufmerksam gemacht.

Hier der Text des Museums:

Henry van de Velde (1863-1957) – Buchkunst.
Vom Jugendstil zum Bauhaus

Ausstellung vom 12. Juni bis 20. September 2009
„Die Ausstellung Henry van de Velde (1863-1957) – Buchkunst. Vom Jugendstil zum Bauhaus zeigt etwa 100 Leihgaben aus der Sammlung Ariane und John Dieter Brinks, ergänzt durch herausragende Objekte aus anderen Sammlungen. Der Belgier Henry van de Velde ist vor allem als Architekt bekannt, er war aber auch – ganz dem Zeitgeist seiner Generation entsprechend – ein sehr vielseitiger Entwerfer für Möbel, Textilien, Tafelsilber und Keramik. Eine zentrale Rolle nahm darüber hinaus die Gestaltung von Büchern ein, seine Entwürfe vereinen Schlichtheit und Monumentalität miteinander. Van de Velde beschäftigte sich während seines langen gestalterischen Schaffens, rund 50 Jahre, mit Buchkunst, seine typografischen Arbeiten entwickelten sich vom „Ornamentalen“ hin zur „Linie“, d.h. vom Jugendstil zum Funktionalismus.Das ausgehende 19. Jahrhundert stellte für Kunst und Literatur in Belgien einen Höhepunkt dar. Die Berührungslinien zwischen Malerei und dekorativer Kunst erwiesen sich als eng. So beginnt Henry van de Velde zunächst als Maler und wendet sich in den 1890er Jahren der angewandten Kunst zu. Er entwickelte seinen Neuen Stil, ignorierte die überkommene Unterscheidung zwischen „Kunst“ und „Kunstgewerbe“ und gestaltete durch seine bald unverwechselbare Formensprache von Linien und Flächen praktisch jeden Bereich des Lebens: Häuser, Räume, Kleidung und Schmuck, aber auch jeglichen Gebrauchsgegenstand des Alltags. Und eben, neben so vielem, das Buch.In der Ausstellung im Bröhan-Museum, die zuvor im Design museum Gent zu sehen war, werden die Bücher von Henry van de Velde zum ersten Mal präsentiert. Sie zeigt opulente Buch-Einbände und hervorragende typografische Werke. Außerdem kann sich der Besucher mit Hilfe der zahlreichen Skizzen und Probedrucke sowie der verschiedenen Fassungen des gleichen Entwurfs, ein Bild davon machen, wie diese herausragende Buchkunst entstanden ist. Ergänzt wird die Ausstellung durch das van de Velde-Kabinett des Bröhan-Museums, das Möbel und Kunstgewerbe zeigt.“

http://www.broehan-museum.de/infoseiten/a_van_de_velde.html



Die Taz feiert Morrissey



Vollkommen aus dem Häuschen ist die Taz vom Auftakt der Deutschlandtournee von Morrissey in Offenbach: „Die Koordinaten werden schon vor der Show abgesteckt: Auf einer Leinwand, hinter der das Instrumentarium der fünfköpfigen Band in Position gebracht wird, sind alte Fernsehausschnitte und Videos zu sehen – Aufnahmen eines englischen Arbeiterviertels in den Sechzigern etwa und die New York Dolls bei einem Auftritt in Manfred Sexauers ‚Musikladen‘. Es knistert sehr schön nach Vergangenheit“, kann sich die alternative Tageszeitung nicht der dandyesken Aura von Morrissey und seiner Band entziehen.

„Dann geht das Licht aus, die Bühne gewinnt an Tiefe, die Instrumente werden grell angeleuchtet, und vom Band ist Nina Simones Version von „Youll Never Walk Alone“ zu hören. Das ist der Kosmos, in dem der junge Steven Patrick Morrissey einst seinen Sinn für Distinktion, Pathos und Croonertum entwickeln und schließlich zum meistangebeteten Star mit Tolle nach Elvis werden konnte. Kürzlich hat er in Manchester seinen 50. Geburtstag auf der Bühne gefeiert. Nun geht die Party im ausverkauften Offenbacher Capitol weiter, als Auftakt einer Deutschlandtour. Wo Morrissey auch hinkommt, seine Fans erwarten ihn schon: Mit enthusiastischen „Morrissey“-Gesängen begleiten sie sein Kommen, als würde ein Heiliger, der immerhin selbst Jesus Vergebung schenkt, in die Niederungen der Welt hinabsteigen und den Glauben an Schönheit, Einsamkeit und Traurigkeit lehren.“

Morrissey sei ein Dandy, „wie er im Wildeschen Buche steht; er will nicht so recht in die Zeit passen. Sie scheint ihm auch wenig anzuhaben. Seine inzwischen etwas gestutzte Frisur erinnert immer noch an die Fünfzigerjahre, sein Auftreten an noch frühere Epochen, als Stil einherging mit Charisma, Ausstrahlung mit Charakter. Wenn er betont, dass ihm die eigene Vergangenheit bedeutungslos sei, dann erlaubt ihm das umso mehr, ans Jetzt zu glauben, in dem Popgeschichte immer wieder präsent gemacht werden kann.“

Das Taz-Resultat: „Es ist ein ziemlich tolles, lautes, wildes Morrissey-Konzert… ‚God bless you all‘, sagt Moz zum Abschied mit ironischem Unterton und fügt hinzu: ‚especially me‘. Ja, möge er sein talentiertes Erdenkind weiterhin mit Genialität segnen…“