Patty Smith by Judy Linn

Patti Smith photographiert von Judy Linn

 


Im vergangenen Jahr veröffentlichte die Rocksängerin Patti Smith ihre Memoiren unter dem Titel »Just Kids«. Unprätentiös und gefühlvoll beschreibt die Punk-Ikone darin die Anfänge ihrer Karriere. Der Leser erhält einen intimen Einblick in die New Yorker Szene der 1970er-Jahre. Zeit und Ort hatten ein spezifisches Air: Der Vietnamkrieg und Andy Warhol sind heute Embleme jener Zeit, die an sich selbst erbrach.

Pattis Buch erhielt den National Book Award; es war die literarische Sensation in Amerika. Im Zusammenhang damit stimmte die Musikerin auch der Veröffentlichung von sehr persönlichen Photos zu. Sie stammen von Judy Linn, die Patti 1968 kennenlernte. Sie war eine Freundin eines Freundes. Beide waren Teil der New Yorker Bohème, die in ihrer Mittellosigkeit zugleich neue Ausdrucksformen herbeisehnte.

Patti Smith wollte sich gern photographieren lassen. Und Judy Linn, mit der sie sich schnell anfreundete, hatte Spaß daran, sie zu photographieren. In einem kurzen Nachwort zu dem berührenden Bildband »Patti Smith 1969-1976« schreibt Judy Linn, die erst später professionelle Photographin wurde und am Vassar College Photographie unterrichtet:

»Als ich begann, sie zu fotografieren, war es kinderleicht. Patti mochte es, fotografiert zu werden. Unsere Aufnahmen waren so einfach wie die sorgfältig gezeichneten Profile hübscher Mädchen in Highschool-Notizbüchern. Begeistert stürzten wir uns in unsere gemeinsam entworfenen Geschichten, und ich machte Fotos, für die all die Jahre der Verkleidungsspiele und szenischen Fantasien wohl die Vorbereitung gewesen waren.«

So entstanden ungeheuer verletzliche Portraits, in denen das gegenseitige Vertrauen, – Harmonie und Kongenialität dokumentiert sind. Die Aufnahmen sind aesthetische (Selbst-)Versuche, deren Reiz auch darin liegt, wohl niemals zu einer Veröffentlichung bestimmt gewesen zu sein.

Die 1946 in Chicago geborene Patti Smith gilt heute als »Godmother des Punk«. Sie hatte starken Einfluss auf die gesamten Bewegungen von Punk und New Wave. Das 1975 erschienene Album Horses war das erste der späteren Patti Smith Group und gilt als Meilenstein der Rockgeschichte.

Obwohl Patti Smith alles andere als exhibitionistisch ist, hat sie vor Judys Kamera keine Scheu, sich nur im schwarzen Slip zu präsentieren. Es sind immer Posen. Doch diese Posen sind derart authentisch, dass sie heute – vier Jahrzehnte später – nicht als solche wirken.

Neben der heute überhohen Ikone hat Judy Linn auch die Freunde abgelichtet: Vor allem ist es Pattis damaliger Partner Robert Mapplethorpe, der dem Œuvre der Aufnahmen ihren Zusammenhang zum Freundeskreis und der Zeit verleiht. Patti mit Zigarette, Patti mit angezogenen Beinen auf der Couch in sich selbst versunken – oder nur scheinbar?-, Patti beim Schminken. Nicht weniger intim wirken die Photos, auf denen sie mit ihrem Freund in New York umarmt die gefüllte Straße entlanggeht. Und dies, obwohl beide von hinten photographiert worden sind.

Der Band gibt in der eigenen Schwarz-Weiß-Aesthetik von Judy Linn einen berührenden Einblick in die New Yorker Bohème der Prä-Punk-Ära. Die Stärke der Aufnahmen liegt auch darin, dass sie nicht perfekt sein wollen.

Judy Linn, Patty Smith 1969-1976. Knesebeck Verlag München 2011, Gebunden mit Schutzumschlag, 144 Seiten, mit 100 Schwarz-Weiß-Abbildungen, 24,95 Euro.

Zur Ausstellung der Photos in Hamburg