201. Geburtstag Barbey d’Aurevillys

Portrait Barbey d’Aurevillys von Emile Levy, 1881

Er schrieb den bedeutenden Traktat Über das Dandytum und über George Brummell. Über die Bibel des dandysme, Joris Karl Huysmans Gegen den Strich, äußerte er. „Nach einem solchen Buch bleibt dem Verfasser nur noch die Wahl zwischen der Mündung einer Pistole und den Füßen des Kreuzes.“ Er empfing die Besucher in seiner bescheidenen Mansarde wie ein König: Voller Anmut und mit aristokratophiler Gediegenheit. Sein Reden war ausschweifend, und seine Kleidung ließ er nach eigenen Entwürfen anfertigen. Jules Amedée Barbey d’Aurevilly.

Aus Anlass seines heutigen 201. Geburtstages weisen wir hin auf eine Würdigung, die von Roman Luckscheiter vor einem Jahr zum 200. Geburtstag in der Neue Züricher Zeitung erschien:

„Reich und elegant zu sein, genügte nicht, um einen wahren Dandy abzugeben. Der Typus des distanzierten Beau, den das 19. Jahrhundert zunächst in den Kreisen des jungen englischen Adels hervorbrachte, bevor er auch als Habitus unter französischen Literaten anzutreffen war, war keine bloss äusserliche Erscheinung, er repräsentierte eine Seinsweise. Das meinte zumindest der französische Schriftsteller und Kritiker Jules-Amédée Barbey d’Aurevilly in seinem grossen Essay 1845 über George Brummel, einen Dandy avant la lettre . Er entwickelt darin eine Theorie des «Dandyismus» mit der These, Dandys entstünden in alten Zivilisationen, in denen die Langeweile nur noch notdürftig mit Konventionen übertüncht werde. Als individueller Revolutionär spiele der Dandy mit diesen Konventionen, übertreibe sie und kehre mittels der überformten Form die unendliche Langeweile hervor. Barbey analysiert das Phänomen mit geradezu soziologischem Sachverstand – und mit kaum verhohlener Sympathie für alle historischen und literarischen Gestalten, die sich dem Diktat der Gewöhnlichkeit mit Stolz und Etikette zu entziehen verstanden.

Zeitgenossen und Nachwelt haben im arrogant wirkenden und wohlbetuchten Barbey d’Aurevilly selbst einen Dandy gesehen. Das ihm gewidmete Museum an seinem Geburtsort Saint-Sauveur-le-Vicomte zeigt den Zierrat, mit dem er sich publikumswirksam ausstaffierte. Was ihn über das Äusserliche hinaus mit dem Dandy verband, waren die gepflegte, bisweilen auch aggressive Antihaltung gegen das politische Fortschrittsdenken der Moderne und die Verzweiflung über die Routine des Banalen, wie er sie mit wütenden Einträgen in seinen Tagebüchern festhielt (…)
Als Charles Baudelaire wegen seiner als anstössig geltenden Gedichte «Les Fleurs du mal» angezeigt wurde, konnte sich die Verteidigung auf eine positive Kritik aus der Feder Barbey d’Aurevillys stützen. Als Barbeys eigene Erzählsammlung «Les Diaboliques» erschien, wurde auch ihm sogleich der Prozess wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses gemacht. Barbey, der Katholik, hatte den ganzen Menschen im Visier, getreu einem Motto, das er seiner Erzählung «Die Lust am Verbrechen» vorangestellt hatte: «Wenn man in diesen herrlichen Zeiten eine wahre Geschichte erzählt, meint man, der Teufel habe sie diktiert.» (…)

http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/literatur_und_kunst/politische_worte_zaehlen_nicht_1.1201143.html