Beau Brummell. Portrait von Dighton, 1805
Wir erinnern an den Ur-Dandy, Beau Brummell, zu dessen 175. Todestag am 30. März 1840 in Caen.
1. Der Dandy ist ein Sozialtypus, wie es auch andere gibt: den Bohème, den Flaneur und den Snob beispielsweise. Dem Dandy näher ist der Punk als der Playboy. Denn im Gegensatz zu dem Frauenvernascher, der keinerlei Geist benötigt, ist auch Punk zu sein eine Lebenseinstellung. Diese wird nach außen kundgetan durch die zerrissene und schwarze Kleidung. Sie entspringt kultur-historisch dem britischen Zwang, Schuluniform zu tragen.
2. Eines trennt den Dandy von allen anderen Sozialcharakteren. Nur der Dandy hat eine einzige historische Person als gelebtes Vorbild, als Begründer. Der Ur-Dandy George Bryan Brummell wurde am 7. Juni 1778 in Westminster geboren. Sein Großvater ist lediglich Dienstbote gewesen. Bis zum Privatsekretär von Premierminister Lord North hatte es dann immerhin Georges Vater geschafft. William Brummell blieb in dieser Vertrauensstellung lange Jahre, bis zum Sturz von North 1783. Der Premier hatte ihn großzügig ent-lohnt: Er bekam 2.000 Pfund im Jahr. So brachte es Brummell sen. zu einigem Wohlstand. Durch den Erwerb von Grundbesitz erlang-te er den Status eines country gentleman. Als William 1794 starb, hinterließ er seinen drei Kindern die damals stattliche Summe von 65.000 Pfund.
3. Otto Mann hat in seiner 1925 publizierten Doktorarbeit bei Karl Jaspers über das Dandytum das System des Dandys herausgearbeitet. Dieses Brummellsche System seiner Machtentfaltung beruhte auf den Faktoren Überlegenheit, Verhüllung und Verblüffung. Alle drei sind für den von Brummell für sich selbst entworfenen Typus des Dandys essentiell.
4. Brummell wußte, daß er nur dann als Vorbild gelten würde, wenn er absolute Perfektion ausstrahlt. Das ist einer der wesentlichen Gründe dafür, warum kein Nachahmer den Ur-Dandy wirklich erreicht hat. Keiner war bis ins letzte so kompromißlos perfekt wie Brummell. Des Dandys Überlegenheit im Gespräch ist legendär. Seine Biographen betonen einhellig, daß es nicht seine Kleidung gewesen sei, die ihn zum first gentleman of europe habe avancieren lassen.
5. Brummells Kostüm war ein Kunstwerk. In seiner Zurückhaltung und feinsten Komposition bis in die kleinsten Accessoires war es Vorbild. Hier zeigt sich der wahre Dandy. Denn er besitzt die Sicherheit seiner Überlegenheit. Brummells Kleidung zeichnete sich aus durch höchste Qualität von Stoffen und Paßform. In Opposition zur bisherigen höfischen Mode, die prunkvoll und ausschweifend war, zelebrierte der Beau Unauffälligkeit und Zurückhaltung.
6. Seinen sozialen Machtanspruch setzte der Beau dadurch um, daß er dafür sorgte, kopiert zu werden. So kamen viele junge Stutzer zu ihm und baten ihn um Ratschläge zur Ästhetik. Auf dem Höhepunkt seiner Wirkung sah er sich von unzähligen Nachahmern umringt. Gab er sich bei einem gesellschaftlichen Anlaß die Ehre, so erzählte man sich am nächsten Tag in ganz London, was er von sich gegeben hatte und was er trug.
7. Im Außen verblüffte Brummell durch seine Kleidung. Im Gespräch verblüffte er durch Ironie, manchmal gesteigert bis zum Zynismus, immer jedoch individuell der Situation angepaßt. Für Barbey d’Aurevilly, ist die Ironie Brummells hervorstechendste Eigen-schaft überhaupt. „Die Ironie ist eine Begabung, die alle anderen entbehrlich macht. Sie verleiht dem Menschen die Züge der Sphinx, die die anderen wie ein Geheimnis immer in Atem halten und wie eine beständige Gefahr beunruhigen.“
8. Verblüffung setzt ein Publikum voraus, ein Gegenüber. Der Dandy „sammelt sich selbst“ , wie Albert Camus es beschrieben hat und schmiedet seine eigene Einheit dadurch, daß er sich mit den anderen nicht gemein macht. Er steht wesensmäßig zwangsläufig in der Opposition; „der Dandy kann sich nur aufstellen, indem er sich entgegenstellt. Er kann sich seiner Existenz nur versichern, wenn er sie im Gesicht der anderen wiederfindet.“
9. Da Brummells Verpflichtungen stetig anwuchsen, floh er am 16. Mai 1816 mit der Kutsche nach Dover. Am nächsten Tag erreichte er sein Ziel Calais. Auch hier konnte er anfangs noch annähernd seinen gewohnten Stil beibehalten. Er richtete sich seine Wohnung exquisit ein. Die Kosten betrugen 25.000 Francs. Der Kontakt zu seinen alten Freunden war nicht vollständig abgerissen. „Manche Pilgerfahrt hat die vornehme Welt nach Calais unternommen“, schreibt Barbey d’Aurevilly nicht ohne Ironie gegenüber der nun etwas ziellosen Gesellschaft.
10. „Der Dandysmus als Lebensform ist kein Zuckerschlecken, sondern harte Fron. Elegance und excellency sind unerbittliche Zuchtmeister, wollen dem Alltag abgerungen sein, das bedeutet strenge Selbstzucht, Entsagung, Disziplin, Askese“, sagt Nicolaus Sombart.
Auszüge aus einem Essay über das Dandytum.
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