Dorian Gray – Neuübersetzung von Eike Schönfeld

Zeitlos-zeitgemäßes Cover:
Die Neuübersetzung von Eike Schönfeld
© Insel Verlag 2014

 

 

Oscar Wilde, Das Bildnis des Dorian Gray. Roman.
Neuübersetzung von Eike Schönfeld.
Insel Verlag Berlin 2014. 293 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, 21,95 Euro.

 

The Picture of Dorian Gray von Oscar Wilde ist ein Roman der Superlative. Er gilt als der meist verlegte Roman der Literaturgeschichte. Die Übersetzungen ins Deutsche sind ungezählt, aber sicher dreistellig in ihrer Anzahl. Nun legt der zu Suhrkamp gehörende Insel Verlag eine mit Spannung erwartete Neuübersetzung von Eike Schönfeld vor.

 

Das Atelier war erfüllt von üppigem Rosenduft, und wenn der leichte Sommerwind im Garten zwischen den Bäumen aufkam, wehte zur offenen Tür das schwere Aroma des Flieders oder das feinere Parfum des pink blühenden Dornbuschs herein.


So übersetzt der mehrfach für seine Übertragungen ausgezeichnete Eike Schönfeld den ersten Satz der berühmten Erzählung. In ihr opfert der sehr schöne, junge Dorian seine Seele für den Preis, nie mehr zu altern… Was das an sprachlicher Modernisierung und Glättung bedeutet, erfährt der Leser nur, wenn er sich die Mühe eines Vergleichs macht. In der ersten deutschen Gesamtausgabe, in der der einzige Roman des Iren 1909 erschien, liest sich der Schlüsselsatz noch so:

 

Das Atelier war voll vom starken Dufte der Rosen, und wenn der leichte sommerliche Wind die Bäume im Garten draußen bewegte, drang durch die offene Tür der schwere Geruch des Flieders oder das zartere Parfum der Blüten des roten Dornes.


Was heute ein wenig zu poetisch-überhoben klingt, ist immerhin über einhundert Jahre alt. Die Sprache verändert sich. Sie geht mit der Zeit. Eike Schönfeld ist eine Modernisierung gelungen, die den Roman wieder lesenswert macht. Sie ist so gut, dass man sie allein als Grund nennen kann, das Buch wieder einmal oder auch zum ersten Mal zu lesen.

 

Es gibt allerdings Stellen, da wäre der Übersetzer besser beraten gewesen, einer alten Übersetzung zu folgen, respektive sich stärker an den Wortlaut des Originals zu orientieren. Ein Beispiel ist der Anfang des elften Kapitels, in dem Wilde in süffisanter Anspielung auf Joris-Karl Huysmans Roman Gegen den Strich schildert, wie sein Held sein Lieblingsbuch zelebriert.

 

Heißt es in der ersten deutschen Gesamtausgabe:
Jahre hindurch konnte sich Dorian Gray von dem Eindruck dieses Buches nicht befreien. Oder vielleicht wäre es richtiger zu sagen: er war gar nicht bestrebt, sich zu befreien.


Im Jahr 2014 liest sich das so:
Jahrelang konnte Dorian Gray sich vom Einfluss dieses Buches nicht befreien. Vielleicht wäre es aber genauer gesagt, dass er sich gar nicht darum bemühte.


Im Original lauten diese Sätze:
For years, Dorian Gray could not free himself from the influence of this book. Or perhaps it would be more accurate to say that he never sought to free himself from it.


Hier wäre der Übersetzer unseres Erachtens besser am Original geblieben, das ja dem deutschen Infinitiv entspricht.

 

Nun aber genug der Klugscheißerei. Die Übersetzung von Eike Schönfeld macht Lust auf den erfolgreichsten Roman der Weltliteratur, der zugleich das bekannteste Dandy-Buch ist. Gelungen auch der Umschlag, der goldenes Jugendstil-Ornament nutzt, ohne kitischig zu wirken.