Jón Gnarrs Bericht, wie er Erster Bürgermeister von Reykjavik wurde
© Tropen 2013
Jón Gnarr, Hören Sie gut zu undwiederholen Sie!!!
Wie ich einmal Bürgermeister wurde und die Welt veränderte.
176 Seiten, 14,95 Euro, Tropen Verlag 2013.
Am Anfang als durchgeknallte Idee von ein paar Spaßmachern gedacht, wurde Jón Gnarr mit seiner Beste Partei im Juni 2010 Bürgermeister der Isländischen Hauptstadt Reykjavík. Nun liegt seine Autobiographie auch in Deutsch vor.
Was sich allerdings teils so urkomisch liest, ist es in seinem Leben nicht immer gewesen. Schließlich sei er von seinem Vater recht häufig verprügelt worden. Wirklich komisch allerdings, wie der Vater, vom Sohnemann als »feuerroter Kommunist« bezeichnet und Mitglied der der Sowjetunion nahestehenden KP Islands, von jedem neuen Vorsitzenden der KPdSU ein gerahmtes Photo zugeschickt bekam. Als nach vielen Jahren Leonid Breschnew durch Andropow abgelöst wurde, taperte Papa durch die Wohnung und suchte nach einem adäquaten Plätzchen für das Heiligenbild. Da die Mutter sich jedoch vehement wehrte, musste auch Brechnews Nachfolger – so wie der schon zuvor – sich mit der Vorratskammer zufrieden geben.
Das politische Engagement Jón Gnarrs für die Eroberung seiner Hauptstadt begann mit einigen kurzen Video-Statements aus dem eigenen Arbeitszimmer. Schon hier ist die ungeheure Spielfreude des Komödianten zu sehen, der er im Hauptberuf ist. Später zog der gelernte Taxifahrer mit Hauptschulabschluss dann durch die Einkaufspassagen und Fußgängerzonen der Isländischen Hauptstadt und trug seine politischen Ziele vor: Wichtig vor allem, kostenlose Handtücher in den eh schon preisgünstigen Schwimmbädern und das kostenfreie Busfahren in der Hauptstadt. Doch hinter all dem Slapstick steckte viel Substanz: Gnarr und seine Mitstreiter griffen ein zutiefst überlebtes, korruptes und zu Veränderungen unfähiges System mit Dada, Surrealismus und einer Prise Existenzialismus an. Gnarr berichtet in seinem Büchlein, wie er sich durch die Literatur der Anarchisten gelesen hat. Er weiß, was es mit Existenzphilosophie auf sich hat. Und er weiß, wer Albert Camus war.
Dennoch geht er bescheiden aber in Politikerpose durch die Einkaufspassagen und erläutert mit ernster Mine, warum die Kostenfreiheit von Badetüchern für Island essentiell ist. Viele Wochen dümpelten die Umfragewerte in einem Bereich der Bedeutungslosigkeit für die Beste Partei. Bis plötzlich einige Monate vor den Wahlen mit einem Schlag signifikante Zahlen kamen: Von da an ging es nur noch aufwärts.
Doch gingen die Umfragewerte in einer Geschwindigkeit durch die Decke, dass – wie Gnarr sehr anschaulich erzählt – ihm selbst Angst und Bange wurde. Sollte er überhaupt weitermachen? Und was, wenn er tatsächlich gewählt würde?
Er teile sich seiner Frau mit, seit eh und je seine engste Wegbegleiterin. Die sagte ganz locker zu ihm, er solle erstmal ein heißes Bad nehmen und dann würde ihm schon klar werden, was er wolle.
Es wurde ihm tatsächlich klar. Am nächsten Tag fand in der Universität von Reykjavík eine große Wahlveranstaltung statt, an der alle Parteien teilnahmen. Als Jón Gnarr an der Reihe war, schritt er zum Rednerpult und sagte gegenüber der versammelte Öffentlichkeit:
»‘Anfangs hielt ich die Idee für ziemlich genial‘, fing ich an. ‚Aber dann wurde die Sache immer unübersichtlicher, und jetzt ist uns das Ganze irgendwie außer Kontrolle geraten. Ich bin kein Politiker. Ich bin Comedian, und die Politik ist nicht mein Metier. Deshalb gebe ich hiermit bekannt, dass die Beste Partei beschlossen hat, ihre Kandidatur für die bevorstehende Stadtparlamentswahl zurückzuziehen.«
Im Saal entstand absolute Ruhe. Die Studenten guckten zutiefst enttäuscht. Die anderen Politiker konnten ihre grenzenlose Freude kaum zurückhalten, wie in einer legendären Doku über Jón Gnarr zu sehen ist. Dann schrie der Polit-Clown: »Joke!«
Kaufen! Lesen! Weitererzählen!
Hier das Werbe-Video der Beste Partei fürden Wahlkanpf 2010: