Krachkultur Ausgabe 18 mit einem Cover von Yanko Tsvetkov
© Krachkultur/Yanko Tsvetkov
Krachkultur 18/2017 – Natur
Herausgegeben von Martin Brinkmann und Alexander Behrmann
189 Seiten, Ppb., 14 €.
Wenn der Literatur-Leser den Wald betritt, erinnert ihn der Geruch an ein Shampoo vom Penny Markt, schreiben die Herausgeber der coolen Literaturzeitschrift Krachkultur in ihrem Vorwort zur neuen Ausgabe zum Thema Natur. Die Nummer 18 ist wie stets anregend, niveauvoll, intelligent und überhaupt – krass schön.
Der erste Beiträger der Krachkultur 18 ist der US-amerikanische Schriftsteller, Lyriker und Trinker James Dickey (1923-1997).
Bekannt wurde Dickey in den USA zuerst als Lyriker. Leben konnte er aber davon geraume Zeit nicht. Daher schlug er sich mit Gelegenheitsjobs durch, deren finanzielle Ausbeute dann glücklicherweise durch Literatur-Stipendien und Preisgelder erheblich aufgebessert wurde. Seinen Durchbruch erzielte Dickey mit dem grandiosen Roman Flußfahrt (Deliverance), der mit Burt Reynolds und Jon Voight unter dem Titel Beim Sterben ist jeder der Erste verfilmt und zu einem riesigen Erfolg bei Kritikern und Publikum wurde. Erzählt wird die Kanufahrt von vier zivilisationsmüden Amerikanern, die sich zu einem Alptraum aus Bedrohung und Mord entwickelt.
Den famosen Naturgedichten von James Dickey folgt ein nicht minder furioser Bericht des Brooklyner Lyrikers Joshua Mehigan. Der erzählt von einem Telephonanruf, der ihn beim Bügeln erreicht. Es ist der erwähnte Dickey, der ihn anruft, sich jedoch als Apollo meldet und so nicht zu erkennen gibt. Dickey antwortet auf einen Brief, den ihn der überschwenglich begeisterte Mehigan schrieb. Mehigan war zu der Zeit noch Schüler und hatte dem Bewunderten einen überschwänglichen Brief nach seiner Lektüre der Aufsatzsammlung From Babel to Byzantium geschrieben.
Na ja, Dickey hatte wohl – wie meist – einen im Tee und wollte wissen, wer ihm da seine Bewunderung ausgedrückt hat. Mehr sei hier nicht verraten; das muß man selbst lesen.
Das Feuerwerk in dieser wiederum rundum gelungenen Ausgabe läßt kaum nach. Allein die Namen der Autoren sollten aufhorchen lassen. Ein gewisser Nachwuchsliterat namens Martin Mosebach ist ebenso mit dabei wie Heimito von Doderer.
Thomas Palzers Reflexionen über unsere Existenz IN DER NATUR ist ebenso sinn-voll, bewußtseins-erweiternd und erhellend (»Der Körper ist die Zeit, die wir überdauern, ist die Spanne, die zwischen Geburt und Tod liegt – und dazwischen liegt der Schmerz.«).
Hat man sich diese neue Krachkultur erarbeitet, mehr erwandert als erlesen, so wirkt das Vorwort der Herausgeber Martin Brinkmann und Alexander Behrmann fast ein wenig zu entschuldigend, zu selbstkleinmachend, wenn sie schreiben: »Alles was schützenswert ist, kann selbstverständlich Thema der Krachkultur werden. So auch die Natur.«
Keine Entschuldigung! Jungs und Mädels, ihr habt der Natur einen großen Dienst erwiesen.
© Matthias Pierre Lubinsky 2017