We are Dandy

We are Dandy aus dem Gestalten Verlag
© Gestalten 2016

 

 

 

Rose Callahan, Nathaniel Adams, We are Dandy.
The Elegant Gentleman Around the World.
Gebunden, 304 Seiten mit zahlreichen Farbphotos, Gestalten Verlag 2016, 39,90 Euro.

 

 

Rose Callahan und Nathaniel Adams setzen ihre Portraits von außergewöhnlichen Gentlemen fort. Mit dem Bild- und Textband We are Dandy – The Elegant Gentleman Around the World erscheint die Fortsetzung von I am Dandy. Eine willkommene Nachhilfe für den ästhetisch orientierungslosen Mann in Zeiten allgemein akzeptierter Geld- und Karriere-Sucht.


Eine Warnung gehört an den Anfang. Bereits die großen Theoretiker des Dantytums wie Barbey d’Aurevilly und Charles Baudelaire haben betont, dass die Kleidung einen Dandy nicht ausmache. Gut oder gar auffällig gekleidet ist auch der Snob. Doch im Unterschied zu diesem ist der Dandy ein hochgradiger Individualist. Ihre Eleganz beruht auf einem geistigen Fundament.

 

Der Dandy lebt das Gentleman-Ideal mit jeder Faser seines Körpers. Deswegen kleidet er sich anspruchsvoll, individualistisch und geschmackvoll. Er will nicht auffallen. Er will sich nur von den Mediokren absetzen. Von den Karrieristen, Angestellten, von den Strebern, Politikern und all den anderen, die die Gesellschaft nicht bereichern, sondern nur benutzen.

 

Im ersten Buch I am Dandy bildeten die traditionellen Dandy-Städte Paris und London die Zentren der Biographen. Rose Callahan (Photos) und Nathaniel Adams (Texte) erweiterten für diesen zweiten Band über Dandies ihren Such-Radar und reisten unter anderen nach Tokio und Johannisburg. Außerdem statteten sie Hong Kong, Seoul und Kuala Lumpur Besuche mit Kamera und Laptop ab.

 

Auch wir Deutschen dürfen nun ein wenig stolz sein, sind in We are Dandy doch gleich drei hier lebende Dandies portraitiert. Ignatious Joseph, Inhaber der Düsseldorfer Hemdenmarke IGN Joseph, trägt stets rote Schuhe mit gleichfarbigen Strümpfen. Dazu eine nur knöchellang geschnittene graue Hose. Er berichtet, er habe einmal Straßenreinigern, die sich über seinen Look lustig machten, entgegnet: »Ich bin ein armer Mann; ich kann mir die fünf Zentimeter Stoff nicht leisten.«


Berlin, die einzige wirkliche deutsche Kulturmetropole, ist gleich mit zwei außergewöhnlichen Gentlemen vertreten. Der Jazz-Sänger und Vintage-Verehrer Henry de Winter repräsentiert das alte West-Berlin und wird nun bestätigt. Den weltweit agierenden großen Modemarken ist eine Repräsentanz am Kurfürstendamm mittlerweile wichtiger als in Berlins bislang so hippem Bezirk Mitte. Henry de Winter ist ein urbaner Gentleman ohne jedwede Allüren in Kleidung oder Auftreten. Stets tadellos im 1920er und 30er-Jahre-Anzug, mit Manschetten und Monokel, ist er in Berlin auch bei hochkarätigen Empfängen einer, der durch seine Gediegenheit und ungezwungene Nonchalance zu gefallen weiß, ohne aufzufallen.

 

Wesentlich schillernder dagegen ist Bent Angelo Jensen, aus Dänemark stammender Inhaber des erfolgreichen Modelabels Herr von Eden: Lackierte, lange Fingernägel wie eine Frau, schwere Ringe an den Fingern, zeigt er im Buch stolz seinen tätowierten Oberkörper. Beide auf den ersten Blick so unterschiedlich wirkende Herren können dabei durchaus unter dem Begriff des Dandy subsumiert werden. Denn ihr Äußeres ist das Resultat einer umfassenden Reflexion von Kultur, Herkunft und Ästhetik.

 

Dem Buch sei eine möglichst große Leserschaft – gerade in Deutschland – gegönnt. Der einzige Wehrmutstropfen ist, dass die kurzen aber intelligenten Texte nur in Englisch sind. Mag sich so mancher angeregt fühlen, doch einmal ein wenig aus dem allgemeinen Wir-sind-alle-gleich auszubrechen. Es muss nicht immer der schwarze Einreiher mit Boss-Hemd von Peek & Cloppenburg sein. Wenn man über die roten Socken oder spleenige Krawatte hinaus auch noch etwas zu erzählen hat – umso besser.

 

Let’s be dandy!

© Matthias Pierre Lubinsky

Hier geht’s zum Buch.