Heimo Schwilk – Ernst Jünger

Die Biographie von Heimo Schwilk
© Klett-Cotta 2014

 

 

Heimo Schwilk, Ernst Jünger – Ein Jahrhundertleben.
648 Seiten mit Abbildungen. Gebunden. Klett-Cotta 2014, 24,95 Euro.

 

Heimo Schwilks Ernst Jünger-Biographie fand bei ihrem Erscheinen im Jahr 2007 allgemein positive Resonanz. Nun liegt Ernst Jünger – Ein Jahrhundertleben in einer überarbeiteten Neuausgabe vor.

 

Wer wäre eher prädestiniert gewesen, DIE Biographie zu Ernst Jünger zu verfassen, als Heimo Schwilk? Viele Jahre hat er sich mit dem Außenseiter der deutschen Literatur beschäftigt. Seine Bildbiographie über das Leben und Umfeld des Schriftstellers gilt als ein guter Einstieg, um den schwer zu fassenden Jünger kennen zu lernen. Daneben ist Schwilk Mitherausgeber einer fulminanten Festschrift zum 100. Geburtstag Jüngers und von vielen Zeitschriften- und Zeitungsartikeln zum Soldaten, Waldgänger und Anarchen Jünger.

 

Schwilks über 600 Seiten starke Biographie ist – das lässt sich rückblickend und vorausschauend heute sagen – DAS ultimative Standardwerk über Ernst Jünger. Sie erschien zeitgleich mit der anderen großen Lebensdarstellung vom Literatur-Professor Helmuth Kiesel, die ähnlich umfangreich und ebenfalls äußerst verdienstvoll ist. Schwilks Mammutarbeit ist ihr allerdings in der Nähe zum Porträtierten, der Detailfülle und auch sprachlichen Brillanz überlegen.

 

Im Vorwort zur Neuausgabe macht der Biograph deutlich, dass die Nähe, die Jünger ihm gewährte, Fluch und Segen zugleich war. Immerhin durfte Schwilk Jünger, der 1998 im Alter von beinahe 103 Jahren starb, über 15 Jahre begleiten. Mehrmals war er für längere Zeit in der Alten Oberförsterei, dem Hause der Jüngers, zu Gast. Der Jahrhundert-Autor stellte ihm sein Archiv zur Verfügung, wo er auf fast alles Zugriff hatte. Schwilk wohnte den Familienfeiern bei und bekam so einen tiefen Einblick in das Privatleben Ernst Jüngers in seinen letzten Lebensjahren. Dabei muss der Biograph bemüht sein, die Nähe zwar zu nutzen, sich aber gleichzeitig seine beobachtende und darstellende Unabhängigkeit zu bewahren.

 

»Ich gehörte dazu, wurde aber auch als Herausforderung empfunden«, schildert Schwilk seinen Eindruck. Denn jeder Biograph habe für den Porträtierten etwas »Anmaßendes, ja Bedrohliches. Er verfügt über Deutungsmacht. Ihm dann und wann das Abgeleitete, Zeitbedingte, Subjektive seines Anliegens zu verdeutlichen, auch das mögliche Scheitern, schien angebracht.«


Die Neutralität zu wahren, ist Heimo Schwilk insgesamt gelungen. Seine Biographie liest sich wie von einem Beobachter-Posten aus. Die Detailfülle ist erstaunlich und bewundernswert. Hat man mit der Lektüre erst einmal begonnen, so lässt sich das schwere Buch kaum mehr aus der Hand legen. Der Publizist versteht es meisterhaft, Ereignisse so zu schildern, wie sie Jünger wohl erlebt haben wird. Das Buch ist zugleich ein Geschichtsbuch, in dem das 20. Jahrhundert greifbar und spannend erzählt wird. Die Art, wie es dem Autoren gelingt, historische Geschehnisse mit Jüngers Beteiligung zu verknüpfen – ohne dabei in spekulative Sphären abzugleiten – ist teils große Biographen-Kunst.

 

So ist diese Biographie nicht nur erste Quelle für alle an Ernst Jünger Interessierten. Der dicke Wälzer ist darüber hinaus ein Meisterstück in Sachen deutschsprachiger Biographie.

 

Nun hat das Buch bei Klett-Cotta im Hausverlag Jüngers seine Heimstatt gefunden. Möge es viele Jahre lieferbar sein.