Carlo Mollino – Un Messaggio dalla Camera Oscura

Carlo Mollino (1895-1973), Turin, um 1940

 

 

Carlo Mollino – Un Messaggio dalla Camera Oscura.
Katalog zur Ausstellung 2011.
Herausgeber Kunsthalle Wien, Gerald A. Matt, Verlag für moderne Kunst Nürnberg. 200 Seiten, gebunden, lieferbar in Deutsch und Englisch, Euro 30.

 

Sie haben die grandiose Ausstellung der Polaroid-Aufnahmen von Carlo Mollino der Kunsthalle Wien im vergangenen Herbst versäumt? Dann haben wir eine gute Nachricht: Das begleitende Katalogbuch ist noch lieferbar.

Der zur Ausstellung im August 2011 erschiene Band im Nürnberger Verlag für moderne Kunst ist ein synästhetisches Ereignis. Darum stellen wir ihn hier eigenständig vor.

Carlo Mollino (1905-1973) war ein Ausnahmetalent, dessen Vielseitigkeit seinesgleichen sucht. Der Turiner war nicht nur Architekt, Innenarchitekt, Designer – sondern war zu immer auch auf der quasi anderen Seite: Er fuhr Rennen – und ihm gefielen die Rennautos nicht. Also gestaltete er sich seinen eigenen, den berühmten Doppel-Torpedo, mit dem er 1955 am 24-Stunden-Rennen von Le-Mans teilnahm und der Design-Geschichte schrieb. Mollino gefielen die vorhandenen Möbel für die von ihm entworfenen Häuser nicht – so entwarf er eigene, die heute auf Auktionen Rekordpreise erzielen und von reichen Sammlern auf der ganzen Welt gehypet werden.

Mollino, der in vielen Eigenschaften ein klassischer Dandy war, hatte noch eine ganz andere Obsession, die er bis zu seinem Tod geheim hielt: Er photographierte Frauen nackt. Er begann damit im Jahr 1962 und hatte diesen Spleen generalstabsmäßig vorbereitet: Der Lebemann und Künstler mietete in diesem Jahr eine kleine Villa in den Hügeln von Turin mit Blick über die Stadt an. Später kaufte er das Haus. Das Innere gestaltete er komplett um. Aus dem Erdgeschoss machte Mollino ein Photoatelier mit hummerrotem Teppichboden, Samtvorhängen vor den Fenstern und einer Schilfmatte als Hintergrund. Als Perfektionist, der er war, hatte er zuvor Dutzende von Kleidungsstücken, Schuhe und Accessoires in St. Gallen, Paris und London gekauft. Die Frauen stammten aus dem Turiner Nachtleben; es waren Prostituierte, die er sich von einem Agenten herbeibringen ließ.

Zum Abschluss vollendete der Akt-Photograph eine Vorauswahl seiner Polaroids mit feinen Pinselstrichen am Körper und der Kleidung seiner erotischen Schönheiten. Doch zur Veröffentlichung schien er die Sofort-Bilder nicht gedacht zu haben. Der Künstler sammelte seine kleinen Erotika in Alben, die er mit getrockneten Blumen verzierte oder in Schachteln.

In einer gelungenen Ausstellung präsentierte die Kunsthalle Wien unter Mitwirkung des Museo Casa Mollino, Turin eine Auswahl dieser sehr intimen Portraits. Auch nach dem Ende dieser Schau ist der begleitende Katalog ein ästhetischer Genuss. Er bringt die Polaroids in Originalgröße auf Photopapier angereichert durch einige wenige aber dafür umso bessere Texte. Das Vorwort des Leiters der Kunsthalle Wien, Gerald A. Matt, vermittelt dem Leser einen Eindruck vom Schöpfer dieser hoch-erotischen Photographien, die dabei niemals pornographisch wirken. Anschaulich erläutert der Museums-Direktor  den Hintergrund der Polaroids: Mollinos geistige Haltung, einen »erhabenen Dialog« (Mollino) zwischen den Wissenschaften und der Kunst herzustellen – mithin zwischen dem Menschen (Subjekt) und der Realität (Objekt).

Erwähnt werden müssen in dieser Katalog-Eloge Fulvio und Napoleone Ferrari, die nach alten Aufnahmen die letzte Wohnung von Carlo Mollino, die der zwischen 1960 und 1968 entworfen und eingerichtet hatte, wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzten. Dazu gehörte auch, den Großteil der in alle Himmelsrichtungen verstreuten Gegenstände aufzutreiben und zurück zu holen. Heute beherbergt das Museo Casa Mollino das umfassendste Privatarchiv zu dem großartigen Dandy Carlo Mollino.

DANDY-CLUB-Empfehlung!

 

Carlo Mollino, Polaroid, 1962-1973

 

 

 



Carlo Mollino – Kunsthalle Wien
Carlo Mollino – Verlag für moderne Kunst