Gregory Crewdson, Aus der Serie Beneath the Roses
»Die meisten Außenbezirke haben wenig Eigenleben«, sagt Botho Strauß.
Er fasst damit das in Poesie, woraus der US-amerikanische Photo-Künstler Gregory Crewdson photographische Gemälde inszeniert. Ja, – Crewdson inszeniert tatsächlich: Vergleichbar aufwendiger Film-Produktionen, erschafft er Räume – zum Teil mit Hilfe von Filmkulissen -, um den Nihilismus amerikanischer Vorort-Höllen zuzuspitzen: Hier sitzen Menschen an einem Tisch, ohne sich anzuschauen oder ein Wort miteinander zu sprechen. Am Haus blättert die Farbe ab. Die Einrichtung hat einige Jahrzehnte auf dem Buckel und wird so gut es geht erhalten. Man lebt aus der Erinnerung besserer Zeiten. Wo man vielleicht jung war. Wo man vielleicht einmal verliebt war. Man kaufte dieses Haus und sah noch Zukunft vor sich.
Crewdson gelingt das außergewöhnliche Kunststück, das Medium Photographie in einer Weise weiter zu entwickeln, die dem 21. Jahrhundert angemessen scheint. Ähnlich aufwendig wie die Inszenierung seiner Bilder ist auch deren Nachbearbeitung. So entsteht ein weiterer Reiz einer Tiefendimension, die immer weitere Details erkennen lässt. Man kann die Photos der Werkgruppe ‚Beneath the Roses‘ immer wieder betrachten und wird immer wieder Neues entdecken. Der Reichtum dieser apokalyptischen Vorstadtbilder ist deren Genauigkeit. Das Spiegelbild dieser Exaktheit ist die Ironie. Die Ironie Crewdsons, seine eigene Gesellschaft und Gegenwart mit Abstand portraitieren zu können.
Die herausragende Ausstellung im C/ O Berlin fasst unter dem Titel »In a Lonely Place« drei Werkgruppen Crewdsons zusammen: Neben »Beneath the Roses« werden gezeigt »Sanctuary« und »Fireflies«. »Sanctuary« ist eine Serie von Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus dem Jahr 2009, die in den legendären Cinecittà-Filmstudios vor den Toren Roms entstand. Auch hier, in dieser 1937 von Mussolini eröffneten Kulissen-Stadt fand Crewdson sein Motiv: Ein greifbarer und dennoch immaterieller Raum, der erst durch das Unterbewusstsein des Betrachters gefüllt wird. Gerade diese Serie ist es, die vom Betrachter am meisten verlangt. Die Bilder wollen einen geistigen Zusammenhang erfahren, wollen belebt werden.
Crewdson ist inspiriert von den amerikanischen Filmregisseuren Alfred Hitchcock, David Lynch und Steven Spielberg. Drei Filmemacher, die die Wahrnehmung ganzer Generationen beeinflusst haben, die die Ikonographie hinter den geschlossenen Wohnungstüren Amerikas gesprengt haben.
Die dritte Serie der Schau sind Photos, die Crewdson von Glühwürmchen machte. Auf den Schwarz-Weiß-Photos sind die kleinen Insekten nur durch ihr Licht zu erkennen. Sie senden es aus, um Partner zu gewinnen. Auch diese Werkgruppe relativiert jedweden Objektivitäts-Anspruch gegenüber der Photographie, präsentiert sie sich doch eher als Objektivitäts-Filter. Dem Betrachter werden die Grenzen seiner Wahrnehmung und Wahrnehmungsfähigkeit vor Augen geführt.
Das Katalogbuch zur Ausstellung präsentiert sämtliche ausgestellten Werke in hervorragender Druckqualität. Ein Erinnerungs-Buch, angereichert durch einige kurze und informative Texte, die das außergewöhnliche Werk von Gregory Crewdson erläutern. Ein bibliophiles Sammlerstück und zugleich essenzielle Erinnerung.
Gregory Crewdson, Aus der Serie Beneath the Roses
Gregory Crewdson, Aus der Serie Beneath the Roses
Gregory Crewdson, In a Lonely Place.
Hatje Cantz Verlag Ostfildern 2011, Deutsch/ Englisch, 160 Seiten mit 71 Abbildungen, Leinen, 34 Euro.
Ausstellung in der C/O Berlin noch bis zum 4. September 2011
Gregory Crewdson in der C/O Berlin