William Turner, Fischer auf See, 1796 ausgestellt
© London, Tate
Der Kunstkritiker William Hazlitt ließ in einem brüllenden Verriss 1816 kein gutes Haar an der Malerei von William Turner (1775-1851). Hazlitt ging vor allem auf das Ungeschiedene der Elemente bei Turner ein: »Dies sind Bilder der Elemente Luft, Erde und Wasser. Dem Künstler gefällt es, zum ersten Chaos der Welt zurückzugehen oder in jenen Zustand, als das Wasser vom Land, das Licht von der Dunkelheit getrennt wurde, aber noch nichts Lebendiges, kein fruchttragender Baum auf Erden zu sehen war.« Diese Analyse führte bei Hazlitt zu einem vernichtenden Urteil: »Alles ist ohne Formen und leer.«
Über ein Vierteljahrhundert später kam John Ruskin, einer der großen Lehrer und Mentoren von Oscar Wilde, zum gegenteiligen Ergebnis: Turners Darstellung des sturmgepeitschten Meeres in dem Bild Land’s End sei »nicht formlos, sondern voller Anzeichen von Charakter«. Gerade die Verschmelzung der Elemente sei es, was die Malerei Turners so einzigartig mache: »Es ist diese ungreifbare, unverbundene, jedoch immerwährende Form – diese Fülle der von der universellen Energie absorbierten charakteristischen Wesensmerkmale -, welche die Natur und Turner von allen ihren Nachahmern unterscheidet«, schreib Ruskin in seinem großen Buch über die Malerei seiner Zeit, Modern Painters.
William Turner, Land’s End, 1834/ 35
© London, Tate
Nun widmet sich eine groß angelegte Ausstellung im Bucerius Kunst Forum Hamburg Turners Elementen-Bildern. Dokumentiert ist sie in dem Begleitband aus dem Hirmer Verlag »William Turner – Maler der Elemente«. Im Klappentext des Bandes heißt es: »Die lebenslange Beobachtung der Natur verlieh ihm fundierte Kenntnisse über das Wirken ihrer Kräfte und profunde Einsicht in die kontinuierlich andauernde Verwandlung ihrer Substanzen.« Turners Vision der Elemente sei eng verknüpft mit den zeitgenössischen Forschungen.
Dies alles kling nett, bleibt aber leider substanzlos. Allein aufgrund von Beobachtungen konnte auch Turner keine »fundierten Kenntnisse« gewinnen. Die Aufteilung der Ausstellung in die vier Elemente plus einer fünften »Fusion« kann nicht recht erläutert werden.
Der Katalog enthält die Beiträge eines internationalen Symposiums zu William Turners Verschmelzung der Elemente. Inés Richter-Musso, eine von zwei Kuratorinnen der Schau, hielt einen Vortrag über die Feuer-Bilder Turners, der nun in dem Band abgedruckt ist: »Wie die sich stets wandelnden Wolken veranlasste auch das Feuer Turner, die Dynamik des Elements zu erforschen.« Ein Gemeinplatz.
In dem letzten Aufsatz des Bandes widmet sich Inés Richter-Musso der Fusion: »Turner unterwarf die Bildräume einem Wandel. Indem er seine Bilder aus dem Zentrum entwickelte, überwand er das Schema der getrennten Bildbereiche. Im späten Werk setzte er dafür das Kompositionsschema des Wirbels ein, der die Bildräume verschleift und in eine kreisende Dynamik einbindet (…) Diese bildnerische Fusion der Elemente entspricht den Wechselwirkungen in der Natur, die die zeitgenössische Wissenschaft beobachtete.« Dies ist es, was die Stärke der Ausstellung ausmacht. Tatsächlich hatte Turners Malerei von je her die Tendenz und das Bestreben, die Trennung der Elemente aufzuheben. Dies ist nicht erst auf das Spätwerk beschränkt, wie das Bild Land’s End ja zeigt. Man könnte auch sagen: Turner hat sich geweigert, an der Teilung der Elemente mitzuwirken.
Gleichzeitig bleibt die Ausstellung, so wie sie präsentiert wird, fragwürdig. Das Spätwerk William Turners wird auf Basis dieser ‚Elementen-Lehre‘gezeigt. Diese Sichtweise ist jedoch nicht ganz plausibel, versucht sie doch jedes Bild einer dieser Elemente-Schubladen zuzuordnen und läuft damit Gefahr, einzuengen. Die Fischer auf See, 1796 erstmalig ausgestellt, werden natürlich dem Element Wasser zugeordnet. Die Bilder der früheren Phase waren teilweise wesentlich gegenständlicher – und dabei atmosphärisch nicht ärmer.
Die Ausstellung ist noch bis zum 11. September 2011 im Bucerius Kunst Forum Hamburg zu sehen. Vom 1. Oktober 2011 bis zum 8. Januar wird sie in Krakau gastieren, um danach in der Turner Contemporary im englischen Küstenort Margate zu sehen zu sein.
William Turner, Neumond; oder „Ich habe mein Boot verloren, du sollst deinen Reifen nicht haben“
1840 ausgestellt
© London, Tate
William Turner, Selbstporträt, 1799
© London, Tate
William Turner, Maler der Elemente, Katalog zu den Ausstellungen im Bucerius Kunst Forum et al., Hirmer Verlag München 2011, 224 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, 45 Euro.
www.buceriuskunstforum.de