Müßiggang – von einer dandyesken Tugend

Müßiggang – eine der ersten Tugenden des Dandys, scheint heute wichtiger als je



Der Zeit-Journalist Ulrich Schnabel setzt sich in seinem Buch für die Renaissance von Muße und Müßiggang ein:
Ulrich Schnabel, Muße. Vom Glück des Nichtstuns. Karl Blessing Verlag, München 2010, 288 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, 19,95 Euro.

Von Matthias Pierre Lubinsky

Dieser Tag schrie förmlich danach, sich mit dem Buch des Wissenschaftsjournalisten Ulrich Schnabel zu beschäftigen: Muße – Vom Glück des Nichtstuns.

Morgens im Supermarkt sticht mir das apokalyptisch-schwarze Cover eines Magazins in die Augen. Burn Out als Titelthema.  ‚Ja, da müssen viele aufpassen‘, denke ich und renne in den Laden. An der Kasse dann ist nur eine Frau mittleren Alters vor mir. Als sie ihre wenigen Einkäufe aufs Band gelegt hat, klingelt ihr Mobiltelephon. Da sie es nach zwei Sekunden noch nicht in ihrem Mantel gefunden hat, fängt sie am ganzen Körper an zu zittern. Dann fischt sie es aus der Tasche und stammelt hinein »Ja Du Äh Ich bin jetzt gerade beim Einkaufen und bestimmt bin ich gleich dran und dann kann ich nicht gleichzeitig bezahlen und telefonieren Äh Kann ich Dich nachher nocheinmal anrufen….«

Es ist diese unsere grenzenlos überstresste, übereilte und genussfeindliche Gesellschaft, die der Zeit-Journalist Ulrich Schnabel analysiert. Wir alle seien permanent gestresst, würden von außen unter stets wachsenden Druck gesetzt – und täten dies letztlich selbst. Sehr sympathisch übrigens: Der Autor nimmt sich davon nicht aus. Zugleich bedauert Schnabel die allgemeine Missachtung von Muße und Müßiggang: Das Nichtstun, das er als »hohe Kunst« bezeichnet, haben wir nach seiner Auffassung weitgehend verlernt. »Das abschätzige Wort vom Müßiggang, der angeblich aller Laster Anfang sei, steckt uns derart tief in den Knochen, dass wir dem gestressten Karrieremenschen (auch wenn er mit unsinnigen Finanzderivaten hantiert) gesellschaftlich mehr Bewunderung entgegenbringen als dem genügsamen Lebenskünstler, dem es gelingt, auch ohne Reichtümer glücklich zu sein.«

Schnabel stellt klar, dass das Nichtstun verschiedene Formen haben kann und nicht unbedingt nur Im-Bett-Liegen sein muss. Im Sinne des alten Müßigganges ist darunter jedwede meditative Tätigkeit zu verstehen, die das Im-Hier-und-Jetzt-Sein darstellt. Das kann bei einem Hobby genauso sein wie beim Meditieren, bei inspirierenden Gesprächen, beim Wandern oder Musizieren.

An dieser Stelle sind schon einige Bücher zu dem Thema besprochen worden: Maß und Zeit von Wilhelm Schmid-Bode,  das Wörterbuch des Müßiggängers von Gisela Dischner oder Hans-Christian Danys Speed. Sie alle bemühen sich, eine überdrehte Zeit zu entschleunigen. Alle sind wirklich bereichernd und lesenswert. Und erstaunlicherweise bietet jedes von ihnen etwas Neues. So lernen wir von Muße, dass eine Arbeit sich in genau dem Maße ausdehnt, wie Zeit für sie zur Verfügung steht. Parkinson’s law ist nur halb scherzhaft gemeint, und es fordert uns dazu auf, es an uns selbst zu überprüfen. Der britische Historiker und Soziologe Cyril Parkinson wollte damit das permanente Wachstum von Bürokratien erklären. Sein Gesetzt besitzt aber allgemeine Gültigkeit. Umso mehr Zeit wir am Arbeitsplatz durch den Computer gewinnen, desto mehr Erledigung wird von uns erwartet. Ein Brief dauerte länger als ein Mail. Aber was haben wir letztlich gewonnen?

Süffisant fordert Ulrich Schnabel den Leser auf, sich einem sogenannten Selbsttest zu unterziehen, wie er mit elektronischer Post umgeht. Kostprobe: »Werden Sie unruhig, wenn Sie auf Ihre Mails oder SMS nicht innerhalb einer Stunde eine Antwort bekommen?« Wer viel mit dem Internet arbeitet, kann hier erfahren, ob er bereits abhängig ist.

Der Autor belässt es jedoch nicht bei Analyse oder Kritik. Das letzte Kapitel gibt nützliche Hilfeeichungen, wie es einem gelingen könnte, aus diesem scheinbaren unentrinnbaren Mäuserad namens Lebenszeitverschwendung auszubrechen. Verraten sei hier nur, dass ein gangbarer Weg die Veränderung der Arbeitssituation sein kann. Warum im Büro acht Pflichtstunden anwesend sein, wenn die Arbeit beispielsweise auch zu Hause erledigt werden kann? Viele Arbeitsplätze werden in den nächsten Jahren dahingehend umgestaltet werden.



2 Kommentare

    • Monex auf 25. Januar 2011 bei 04:43

    Zumal dieser Versuch seinen eigenen Standpunkt zu erlutern ein bisschen geeiert daherkommt Einerseits bin ich als Physiker und Zeitungsredakteur hauptberuflicher ZweiflerAndererseits bin ich religis sozialisiertIn der Zen-Meditation habe ich eine Form der religisen Praxis gefunden die meinen Neigungen und meinem Naturell entgegenkommen. ..Der Placebo-Effekt Glaubensmedizin ..Am Beispiel der Nonne Marie-Simon Pierre aus Aix-en-Provence die durch Gebet und Glauben von der Parkinson-Krankheit geheilt worden sein soll erlutert Schnabel zu Beginn des Buches den Placebo-Effekt den er hinter dieser Wunderheilung vermutet. Dazu zhlt die Frage nach dem freien Willen ebenso wie die Erklrung des Bewusstseins und neuerdings eben auch jene nach dem religisen Erleben.

    • Monex auf 25. Januar 2011 bei 05:13

    Isaac Newton kam der zundende Einfall zu seiner Gravitationstheorie im Garten als er versonnen einen Apfel betrachtete.

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