Ted Partin

Ted Partin, San Fransisco II, 2004


Ted Partin photographiert mit einer 8 x 10 Zoll Deardorff Fachkamera. Diese Plattenkamera hat die Größe eines kleinen Fernsehers. Sie ist aus Holz, lässt sich aber für den Transport leicht zusammenklappen, wie der Künstler im Gespräch mit Sylvia Martin betont. Dieses aufschlussreiche Interview ist in dem Katalog-Buch dokumentiert, das zur Ausstattung in Krefeld (noch bis 19.09.2010)

erschienen ist. Das Buch ist Begleiter und Gedächtnis der Ausstellung, die der US-amerikanische Photo-Künstler selbst zusammengestellt hat.

Nicht nur erinnert Ted Partins technische Vorgehensweise ans 19. Jahrhundert. Es führt zu ganz eigenen, ungewohnten Werken. Einerseits erfordern bereits der Aufbau und das Einrichten der Kamera einen erheblichen Zeitaufwand, der in der heutigen Zeit einer digitalen Massenphotographie noch rückwärtsgewandter wirken muss. Doch bleibt die ungeheure Wirkung dieser zutiefst reaktionären Arbeitsweise nicht aus: In der Phase der Vorbereitung erhalten Photograph und Motiv Gelegenheit, sich aufeinander einzuschwingen. Sich kennenzulernen. Der Mensch – das Motiv – erfährt davon, wahrgenommen zu werden.

Ted Partin sagt: »Die Langsamkeit und Überlegenheit des Aktes erzeugt so etwas wie ein Ereignis oder eine Zusammenarbeit.« Konzeptuell ginge es ihm darum, »aus der einmaligen Erfahrung mit der Person, die ich fotografiere, ein einmaliges Objekt zu erzeugen«. In Krefeld sind nun knapp 50 seiner Arbeiten aus den Jahren 2003 bis 2009 zu sehen. Alle sind im Buch reproduziert.

Ted Partin wurde 1977 in Tarrytown, New York, geboren und lebt in New York City. Er studierte bei dem berühmten street photographer Tod Papageorge und bei Gregory Crewdson. 



 Ted Partin, Mobile, 2003


Konzeptorisch entstehen durch die Entschleunigung des Aufbaus verbunden mit der teilweise extrem langen Belichtungszeit von bis zu mehreren Sekunden bestürzend-authentische Dokumente der gegenwärtigen US-amerikanischen Jugend. Teilweise im Drogen- und Prostituierten-Milieu, teilweise nackte, teilweise von Krankheiten gezeichnete Bewohner der modernen Welt. In der bestürzenden Präzision der Arbeiten geht es nicht um die soziale Schicht oder die Herkunft. Vielmehr zeugen die Aufnahmen von Individualitäts-Wollen und der Suche nach Selbst-Bewusstsein. Der Blick der Mittelstandskinder ist von derselben unbeklommenen Erwartung auf das Leben. Der Betrachter wird zum mundoffenen Stauner ob der augenblicklichen Plastizität. Und zugleich zum Voyeur. Unfreiwillig und peinlich berührt erwischt der Betrachter nackte Frauen und Männer im Bett liegen. Die Photographierten sind in völlig normalen Situationen. Sie sitzen auf der Couch oder im Auto. Die Motive sitzen am Straßenrand oder lesen ein Buch. Ted Partin dokumentiert ganz normale Blicke der photographierten Menschen und inszeniert zugleich den Blick in die Kamera, – der kein anderer ist, als wäre der riesige Photoapparat nicht vorhanden. Dies macht die ungeheure seelische Gegenwärtigkeit von Partins Arbeiten aus.
Die Ausstellung Eyes Look Through You zeigt neben Schwarz-Weiß-Aufnahmen auch einige der seit 2009 entstandenen Farbphotos. Sie ist die erste Präsentation von Ted Partins Weken im Museum.


 Ted Partin, Reykjavik, 2008




Ted Partin: Eyes Look Through You
13.06.2010 bis 19.09.2010
Museen Haus Lange – Haus Esters
Wilhelmshofallee 91-97
47800 Krefeld

Der Katalog zur Ausstellung: Hirmer Verlag, München 2010, 120 Seiten, gebunden, 34,90 Euro.
© Alle Photos: Ted Partin. All rights reserved.



2 Kommentare

    • Anonymous auf 21. Juli 2010 bei 19:52

    Bin durch Ihr Blog auf Ausstellung und Katalog aufmerksam geworden. Furios!! Danke!
    Katalog soeben bestellt.
    Dandy-Jack

    • Anonymous auf 22. Juli 2010 bei 15:21

    Schließe mich an – war drin – chapeau!

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