Henry de Montherlant (20.04.1896 – 21.09.1972)
Zum heutigen Geburtstag des französischen Schriftstellers und Dandys Henry de Montherlant bringen wir ein Stück aus seinen Tagebüchern, die eher Notizkladden waren, aus dem Jahr 1931. Die meisten seiner Bücher sind zur Zeit nur antiquarisch erhältlich. Montherlant beschrieb wohl vieles zu ehrlich.
Unhöfliche Sitten der europäischen Gesellschaft
Aufforderung, bei einem öffentlichen Empfang ‚mit seinen sämtlichen Orden und Ehrenzeichen‚ zu erscheinen; die Einladungskarten, auf denen ‚Tee und Portwein‘ in Aussicht gestellt wird, um den Gast zu ködern; sein eigenes Lob in der Öffentlichkeit anhören (Rede vor der Académie francaise) oder das Lob seiner Vorfahren (Predigt bei der Hochzeitsmesse);
einem anderen den Rauch seiner Zigarrette oder Pfeife ins Gesicht zu blasen;
Frauen, die rauchen;
bei sich zu Hause sein eigenes Porträt an die Wand hängen;
alles daran zu setzen, damit der Empfang, den man gibt, ein Menschenauflauf wird, während man bemüht sein sollte, daß keiner daraus wird;
die Schloßherrin, die uns auf ihrem Anwesen jede Einzelheit zur Besichtigung vorführt (über die Chrysanthemen: ‚Sind die nicht herrlich?‘), während die wahre Freiheit darin besteht, daß man nicht zu wissen scheint, was man besitzt, und nur davon spricht, wenn man ausdrücklich danach gefragt wird;
die Beamten der Botschaft, die in ihrer eigenen Sprache, die wir nicht beherrschen, an uns schreiben; (…)
die systematische Angewohnheit, regelmäßig zu spät zu kommen, was soviel heißt wie: ‚Deinetwegen erlege ich mir keinen Zwang auf‘: (…)
Das alles von allen hingenommen, in die Gepflogenheiten eigegangen.
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