Kesslers Vita ist ein veritabler Kulturkrimi (Fritz J. Raddatz)

Man kann über Fritz J. Raddatz (ehemaliger Feuilleton-Chaf der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit) sagen, was man will; seine Rezension der Neuausgabe der Tagebücher hat einfach gesessen. Ein Auszug:

„Für Literaturnarren, für Wissbegierige nach Geschichte und Geschichten ist ein Fest angesagt: Endlich erscheinen als integrale Edition die ins Reich der Legenden und Gerüchte abgesunkenen Tagebücher von Harry Graf Kessler – einer der farbigsten (ja, gewiss, auch schillernden) Figuren des ausgehenden 19. Jahrhunderts mit den Höhepunkten seiner ruhmreichen Tätigkeit auf mancherlei Gebiet der Kunst und Politik in den zwanziger Jahren bis zum bitteren Ende des Emigranten 1937…. Wie gut haben es meine Kollegen von der Theaterkritik – die können applaudieren. Das ist eine leicht lächerliche Vorstellung: Da sitzt jemand, liest und applaudiert – aber man möchte es, sehr oft. Ob über Ibsen oder die Fragwürdigkeit des demokratischen Prinzips, ob über der Menschen notwendige Sehnsucht nach einem Ideal oder über die Bigotterie des Premierenpublikums der Weber – dieser Mann ist sozusagen die Brüder Goncourt als Einzelperson.“

http://www.zeit.de/2004/18/P-Kessler?page=1